© Endre Dudich, 2008

Zwölf Argumente gegen und für Esperanto

Warum sollte man Esperanto nicht verwenden? Warum sollte man Esperanto dennoch verwenden?
1.Esperanto ist keine lebende, natürliche Sprache, sondern eine künstliche Sprache ohne Tradition.Esperanto ist tatsächlich eine "künstliche", geplante Sprache, aber sie basiert auf mehreren "natürlichen", ethnischen Sprachen und profitiert von deren Tradition. Esperanto vereinigt also die Vorteile beider Sprachkategorien, und es ist insbesondere geeignet für die Verwendung durch Computer, unter anderem wegen der geringen Anzahl an Synonymen und Homonymen. Es wird weithin gesprochen und hat sich zu einer lebenden Sprache entwickelt.
2.Esperanto wurde von Amateuren gemacht, nicht von kompetenten, professionellen Linguisten. Esperanto wurde in der Tat nicht von einem Linguisten, sondern einem Arzt initiiert, der mehrere Sprachen beherrschte. Aber später haben auch professionelle Linguisten zu seiner Entwicklung beigetragen. Folglich profitiert Esperanto sowohl von der alltäglichen Praxis als auch der wissenschaftlichen Theorie.
3.Die Struktur des Esperanto ist übervereinfacht, und sein Wortschatz ist arm. Die Struktur des Esperanto hat sorgfältig die notwendigen Elemente der Grammatik und Syntax erhalten. Seine Einfachheit ist Flexibilität ohne Komplexität und Stabilität ohne Starre. Den Wortschatz des Esperanto bereichert fortwährend die regelmäßige Bildung neuer Wörter und Termini (z. B. artefarita intelekto, künstliche Intelligenz), und Übernahme notwendiger und nützlicher Neologismen aus anderen – und nicht nur indoeuropäischen – Sprachen, z. B. nunatako aus dem Inuktitut (Sprache der Eskimos), saŭno aus dem Finnischen, hanuko aus dem Hebräischen, cunamo aus dem Japanischen und obo aus dem Mongolischen.
4. Esperanto eignet sich nicht für die stilistische Vielfalt der Belletristik.Seit seiner Geburt 1887 hat Esperanto eine umfangreiche und vielfältige Literatur hervorgebracht. Diese besteht nicht nur aus tausenden übersetzter Werke der Poesie und Prosa, sondern auch aus vielen Originalen, die in großen Bibliotheken, z. B. in Budapest, London, Rotterdam und Wien, gesammelt und bewahrt werden.
5.Esperanto hat keine "Seele", es verkörpert und vermittelt kein eigenes kulturelles Erbe. Es ist wahr, dass Esperanto keine ethnische "Seele" hat, die auf ein bestimmtes Volk oder eine Kultur beschränkt ist. Statt dessen hat es einen "universellen Geist", der offen und tolerant ist und der die unmittelbare Kommunikation zwischen verschiedenen Völkern und Kulturen erleichtert in der Epoche der unausweichlichen Globalisierung.
6.Esperanto eignet sich nicht für den Gebrauch in Wissenschaft und Technik. Esperanto ist bereits – zumindest teilweise – an die Bedürfnisse moderner Wissenschaft und Technik angepasst, und ist im Internet weit verbreitet. Seine Wesenszüge (s. Punkt 3) ermöglichen und sichern eine dauerhafte Weiterentwicklung auch in diesen Bereichen, von der Astronomie bis zur Zoologie (z. B. nebulozo, Primatoj usw.).
7.Das Fundamento de Esperanto betrachten Esperantisten als unantastbares Tabu, und die Akademio de Esperanto ist eine sehr konservative Institution. Das "Tabu" bzgl. der Sprachdefinition, des Fundamento de Esperanto, dient nur der Sicherstellung, dass die Spracheinheit bestehen bleibt und Dialektbildung vermieden wird. Die Akademio de Esperanto ist keineswegs unfehlbar, sondern ihre Mitglieder stellen ernsthafte und aufrichtige Anstrengungen an, ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen den Extremen des blinden Dogmatismus und der verantwortungslosen Anarchie, des strengen Konservativismus und absoluter Freiheit zu finden und aufrechtzuerhalten.
8.Vorrangig solche Menschen lernen Esperanto, die es nicht geschafft haben, sich eine lebende Fremdsprache anzueignen. Es ist eine Tatsache, dass Esperanto leichter, schneller und kostengünstiger erlernt wird als praktisch jede ethnische Sprache. Daher ist es besonders bei Menschen beliebt, die sich aus irgendwelchen Gründen schwer tun, sich eine Fremdsprache anzueignen. Esperanto ist sogar noch einfacher zu lernen, wenn man bereits eine andere (indoeuropäische) Sprache spricht, von Afrikaans und Albanisch bis Gälisch und Jiddisch.
9.Esperanto zu lernen ist eine Verschwendung von Zeit, Energie und Geld. Es hätte mehr Sinn, diese in das Erlernen einer wirklich nützlichen Sprache zu investieren, wie z. B. Englisch, Deutsch oder Spanisch. Es hat sich herausgestellt, dass Esperanto ein nützliches Sprachensprungbrett ist. Sein Verständnis erleichtert das Erlernen anderer Fremdsprachen, einschließlich der englischen. Für jene, deren Muttersprache nicht indoeuropäisch ist (z. B. arabisch, chinesisch, estnisch, finnisch, ungarisch, japanisch, koreanisch, malayisch, mongolisch, türkisch, vietnamesisch), ist Esperanto wie eine vergünstigte Eintrittskarte zu dieser Sprachgruppe.
10.Esperanto hat weder eine starke ökonomische Basis noch mächtige Unterstützer.Esperanto ist nicht gebunden an irgendeine Finanzgruppe, national oder multinational, noch wird es den Menschen von einer aggressiven politischen oder militärischen Macht aufgedrängt. Folglich ist es wirklich neutral und relativ frei von Diskrimination.
11.Esperanto anzunehmen würde bedeuten, dass man sich mit einer Sprache mehr herumschlagen müsste. Esperanto anzunehmen würde bedeuten, eine neutrale, interkulturelle "Brückensprache" zu erhalten.
12.Die Einführung von Esperanto würde schwerwiegende Probleme aufwerfen,
z. B.:
 
  • Die englischen Muttersprachler und die, die viel Zeit, Energie und Geld in das Erlernen des Englischen gesteckt haben, würden ihren Vorteil und einige ihrer Privilegien verlieren.

  • Viele Übersetzer und Dolmetscher würden nicht mehr gebraucht werden.

  • Berge von Dokumenten müssten auf Esperanto übersetzt werden.
Die Probleme, die aus einer Einführung von Esperanto resultieren würden, sind wesentlich weniger schwerwiegend als die des jetzigen, sehr teuren Sprachchaos (speziell in der Europäischen Union).
  • Englisch (und Französisch usw.) würden weiterhin in vielen Gebieten verwendet, und ihre Sprecher wären weiterhin relativ privilegiert.

     

  • Viele Übersetzer würden benötigt, um die Mengen an Dokumenten auf Esperanto zu übersetzen.

  • Auch Dolmetscher würden weiterhin gebraucht, bis die gesamte Menschheit Esperanto erlernt hat, behutsam die wertvolle Vielfalt der Kulturen und Sprachen bewahrend.

Vergleichen Sie ohne Vorurteil, überlegen Sie, und ziehen Sie Ihre Schlüsse.